Bräuche & Traditionen

Weitere Informationen Volkskundemuseum am Paulustor/UMJ Verantwortlich für die Sammlung: Martina Edler und Hannah Pilgram I www.volkskundemuseum-graz.at Aufschluss über Bedeutung und Beziehungsverhältnisse. Auch die astrologischen Vermerke erlauben Einblicke in bestimmte Denkmuster dieser Zeit. Und genau dadurch hebt sich dieses historische Objekt von vielen seiner „Artgenossen“ ab. Obwohl die volkskundliche Sammlung des Museums am Paulustor mit insgesamt rund 90.000 Artefakten quantitativ eine Fülle an steirischer Kultur abbildet – ein beträchtlicher Teil dokumentiert wie erwähnt die Brauch- und Ritualkultur –, liefern nur einzelne Stücke der früheren Sammlungsgeschichte eine derart dichte Hintergrundgeschichte. Vor allem Fragen nach den persönlichen Beweggründen im Hinblick auf einzelne Bräuche hatten neben der Erfassung der sogenannten „harten Fakten“ wenig Platz. Konzentriert auf Maße, Gewicht und Materialität, eventuell Herkunftsort etc. wurde der persönliche Zugang zum jeweiligen Brauchgeschehen selten auf Karteikarten oder Fotorückseiten vermerkt. Welche Motive aber prägten das Handeln? Welche Emotionen waren im Spiel? Es sind dies nur einige Beispiele jener Fragen, die das Volkskundemuseum in der Paulustorgasse spätestens seit der Neuaufstellung im Jahr 2003 verstärkt beschäftigen. Für eine umfassende Kontextualisierung braucht es ausführliche Gespräche bei der Aufnahme neuer Exponate – mit Spielraum für Fragen zu den persönlichen Handlungsmotiven, die es in eine detaillierte Dokumentation zu überführen gilt. Was erzählt uns beispielsweise die auf dem Foto F 12027 abgebildete Namensfestkerze, eines der jüngst dokumentierten Sammlungsobjekte, das ebenfalls für ein Aufnahmeritual eines Kindes in die Gesellschaft steht? Rund um diese Kerze wurde neben der Befragung zu den dargestellten Objektdaten und dem Ablauf des Namensfestes großer Wert auf die persönliche Bedeutungsebene gelegt: Was bewegt Menschen zu bestimmten Handlungen, wie ist ihre Herangehensweise und was bewirken ihre kulturellen Praxen für den Einzelnen und die Gemeinschaft? Die Beantwortung dieser „qualitativen“ Fragen schafft die Basis für Erzählungen, die unser (gegenwärtiges) kulturelles Geschehen auch für die Nachwelt verstehbar machen. Vor allem aber werden im Kontext kollektiver Brauchhandlungen individuelle Sichtweisen transparent gemacht. Letztlich kann der Diskurs dieser Ergebnisse Inspiration für eine gelungene Gestaltung des persönlichen Lebens und des gemeinschaftlichen Miteinanders sein. Sie erlauben ein offenes Kulturverständnis als Grundlage für Toleranz und Vielfalt in unserer Gesellschaft. MARTINA EDLER Namensfestkerze. Foto: UMJ/ Viktoria Krenn (F 12027). 13

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