34 Immaterielles Kulturerbe CRISTINA BIASETTO BRÄUCHE & TRADITIONEN Immaterielles Kulturerbe mag zunächst als ein umständlicher Begriff erscheinen, bezeichnet jedoch ein wichtiges Konzept: kulturelles Erbe, das sich über gelebte Praktiken und überliefertes Wissen definiert. Es stellt kulturelles Erbe in den Mittelpunkt, das über Generationen in Praxis, Teilhabe und Anpassung weitergegeben wird. Die UNESCO, die UN-Sonderorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, prägte diesen Begriff und würdigte diese Form des Erbes um die Jahrtausendwende mit der Schaffung des 2003 verabschiedeten Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Dieses betont die gesellschaftliche Bedeutung darstellender Künste, Rituale, Feste, handwerklicher Fähigkeiten sowie überlieferter Techniken im Umgang mit Natur und Ressourcen und öffnet den bislang vorherrschenden Kulturbegriff um eine wichtige Dimension. 185 Staaten haben das Übereinkommen inzwischen unterzeichnet: Österreich im Jahr 2009. Damit widmen sich die teilnehmenden Nationen dem Ziel zur Anerkennung, Sichtbarmachung und Erhaltung lebendigen Erbes. Wie kann aber ein oft flüchtig erscheinendes, oft situationsgebundenes Kulturgut, wie es das immaterielle Kulturerbe meistens ist, überhaupt auf globaler Ebene sichtbar gemacht oder gar für die Nachwelt erhalten werden? Die UNESCO hat sich dabei u. a. für ein System von Listen entschieden. Auf internationalen, von der UNESCO geführten Listen werden verschiedenste Kulturpraktiken aus aller Welt gesammelt. An die 800 Praktiken lassen sich dort derzeit finden: darunter die Herstellung der Alepposeife in Syrien oder der Karneval von Oruro in Bolivien. Ziel dieser Listen ist es, die globale Vielfalt kultureller Ausdrucksformen knapp zusammengefasst abzubilden – nicht als museale Katalogisierung, sondern als Zeichen lebendiger Kultur und gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Parallel wird als Teil der Umsetzung dieses völkerrechtlichen Vertrages in Österreich seit 2010 das Nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes geführt. Aktuell sind darin 172 Elemente erfasst, die auf die in Österreich gelebten kulturellen Praktiken aufmerksam machen sollen – vom Pestkerzenumzug am Umgangssonntag in St. Benedikten bis zum UNESCOs Beitrag zur Sichtbarmachung gelebter Vielfalt
RkJQdWJsaXNoZXIy MjI2NDc=