Gautschen

Am Ende der Lehrzeit von Drucker:innen findet die Gautschfeier statt, deren Höhepunkt die Wassertaufe ist. Das Gautschen (die Gautsch) geht auf zünftische Initiationsrituale zurück und ist bereits im 15. Jahrhundert unter Kaiser Friedrich III. dokumentiert. Der Begriff „Gautschen“ leitet sich von einem Vorgang bei der Papierherstellung ab, bei dem man das Wasser aus dem Papierbogen presst.
Für das Gautschen sind mehrere Personen in unterschiedlichen Rollen notwendig: ein:e Gautschmeister:in, der:die den Ablauf bestimmt, und Packer:innen, die sich aus den bereits gegautschten Gesell:innen des Betriebs rekrutieren und für den:die Gautschmeister:in das „Grobe“ erledigen. Der:die Schwammhalter:in braucht zur Ausübung des Amtes zwei Schwämme und einen Kübel mit Wasser. Der Anführgspan oder Faktor (Ausbildner:in) fungiert als Zeuge:Zeugin. Die Zeremonie beginnt mit dem Kommando „Packt an!“, worauf die Lehrlinge von den Packer:innen nacheinander in ein Wasserbehältnis geworfen, auf einen feuchten Schwamm gesetzt oder mit einem Eimer Wasser übergossen werden, wogegen sie sich ursprünglich mit allen Kräften zur Wehr setzen sollten. Während die Lehrlinge von ihren Sünden „reingewaschen“ werden, hält der:die Gautschmeister:in eine Ansprache. Am Ende der Zeremonie erhalten die nunmehrigen Gesell:innen einen Gautschbrief, der heute ein wichtiges, historisches Bindeglied und Zugehörigkeitssymbol zu einer Berufsgruppe repräsentiert.
Heute praktizieren das Gautschen neben den Drucker:innen auch die aus dem Druck weiterentwickelten Berufe, beispielsweise Schriftsetzer:innen, Typografiker:innen, Mediengestalter:innen und Druckvorstufentechniker: innen.
Gautschenfeier Druckhaus Scharmer
Foto: Druckhaus Scharmer
Gautschen Druckhaus Scharmer
Foto: Druckhaus Scharmer

Gautschen

Aufnahme: 2021 | 
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